In den letzten Monaten häufen sich mehr und mehr Fälle glückloser Spieler von online-Casinos, welche mit anwaltlicher Hilfe über verschiedene Gerichte ihre gezahlten Spieleinsätze zurückfordern konnten. Doch was steckt dahinter? Was sind die Begründungen der Gerichte und funktioniert das regelmäßig? Das ist mehr und mehr Gegenstand von Mandantenanfragen. Daher einmal losgelöst von konkreten Urteilen ein kleiner zusammenfassender Überblick.
Warum kann ich verlorene Spieleinsätze überhaupt zurückfordern?
Ausgangspunkt ist der bis zum 30.06.2021 geltende alte Glücksspielstaatsvertrag, der GlüStV. Nach dessen § 4 GlüStV war es notwendig, dass es für die Veranstaltung eines Glücksspiels einer Genehmigung bedarf, wobei das Anbieten von online Glücksspielen grundsätzlich verboten war, § 4 Abs. 4 GlüStV. Bis zur Reformierung des GlüStV zum Juli 2021 war insoweit eine Genehmigung für das Betreiben von online-Casinos für den Geltungsbereich Deutschland in aller Regel ausgeschlossen, sieht man mal von dem „Sonderstatus Schleswig-Holstein“ ab. Folglich haben im Grunde alle Anbieter ohne gültige Lizenz den Spielbetrieb in Deutschland angeboten. Werden jedoch illegale Glücksspiele ohne geltende Lizenz angeboten, dann sind geschlossene Teilnahmeverträge mit den Spielern unwirksam. Zahlungen auf unwirksame Verträge wiederum können zu einem Rückzahlungsanspruch der Spieler bezüglich ihrer Einsätze führen.
Wie begründen die einzelnen Gerichte denn eine Rückforderung?
Genau hier setzen die Gerichte an. Der Grundtenor der Gerichte geht dahin, dass das Veranstalten eines online-Casinos entgegen den Vorgaben des GlüStV und damit das Veranstalten von Glücksspielen ohne Erlaubnis oder Lizenz rechtswidrig war. Auf dieses rechtswidrige Angebot könne kein wirksamer Vertrag geschlossen werden. Damit seien die eingegangenen Vertragsverpflichtungen nichtig. Bestand die Teilnahme nur gegen die Zahlung eines Spieleinsatzes, so wurde dieser ohne wirksame vertragliche Grundlage gezahlt. Erfolgt jedoch eine Zahlung und vertragliche Grundlage, dann spricht der Jurist von einer Zahlung ohne Rechtsgrund. Solche Zahlungen sind sodann wieder herauszugeben, siehe § 812 Abs. 1 BGB.
Ein weiterer Ansatz der Gerichte ist § 823 Abs.2 BGB. Hiernach besteht eine Schadensersatzpflicht, wenn der Glücksspielanbieter gegen ein Schutzgesetz verstoßen hat. Ein Schutzgesetz ist vereinfacht gesagt dabei ein Gesetz oder eine Gesetzesnorm, deren Zweck es ist, nicht nur die Allgemeinheit zu schützen, sondern gerade auch die Rechtsgüter und Interessen einzelner Personen. Ein solches Schutzgesetz ist eben die Beschränkung in § 4 Abs. 4 GlüStV, welche den Einzelnen vor den Gefahren des nur schwer kontrollierbaren online-Glücksspiels und dessen Folgen schützen soll. Die Folge eines Verstoßes gegen ein solches Schutzgesetz ist ein Schadensersatzanspruch des Betroffenen. Ein solcher Schaden ist der Verlust des eingezahlten Geldbetrags, sodass dem Spieler der gezahlte Einsatz zurückzuzahlen ist.
Wie argumentieren die Spiel-Casinos?
Natürlich wollen die Casino-Anbieter nicht wirklich viel von Rückforderungen wissen. Dabei geht es in erster Linie um 3 Verteidigungsstrategien:
- Die Beschränkungen des GlüStV verletzen die Anbieter in Ihren Rechten auf Freizügigkeit nach europarechtlichen Vorgaben.
- Selbst dann, wenn das Angebot rechtswidrig wäre, habe der Spieler selbst gegen das Recht verstoßen, indem er dann an einem illegalen Glücksspiel teilgenommen hat.
- Selbst dann, wenn das Angebot rechtswidrig wäre, dann wäre eine Rückforderung ausgeschlossen, da der Spieler die Rechtswidrigkeit gekannt haben müsse.
Alle diese Argumente werden je nach Anbieter mehr oder weniger vertreten. Allerdings haben bislang die Gerichte nicht wirklich Zugang zu diesen Argumenten finden können und all diese Punkte relativiert. Die Frage des Verstoßes eines Internetverbots für Glücksspielen gegen europarechtliche Vorgaben wurde schon durch den EuGH selbst aber auch durch das BVerfG sowie das BVerwG mehrfach verneint. Auch wenn diese Entscheidungen nicht explizit und ausdrücklich auf § 4 Abs. 4 GlüStV gerichtet waren, gelten die Wertungen der Rechtsprechung dennoch. Daran hatte bislang keines der Landesgerichte bei Entscheidungen zu Rückzahlungen von Spieleinsätzen grundlegende Zweifel.
Das weitere Argument, der Spieler hätte ja selbst an einem „illegalen Glücksspiel teilgenommen“ konnte bislang ebenso kein Gericht überzeugen. Hier wird regelmäßig darauf verwiesen, dass Schutzzweck des Verbots von online-Glücksspielen ins Leere laufen würde, wenn der Anbieter den Einsatz behalten dürfte, nur weil der Spieler zumindest auch gegen gesetzliche Verbote verstoßen hat.
Zudem setzt dies eine gewisse Kenntnis der Umstände voraus. Soweit allerdings von den Anbietern mit einer gültigen Lizenz geworben wird, liegt es nahe, dass der jeweilige Verbraucher auch von der grundsätzlichen Zulässigkeit des Angebots ausgeht. Wenn also gegenüber Verbrauchern der Rechtsschein einer gültigen Lizenzierung gesetzt wird, kann nicht gefordert werden, dass eine vertiefende Vorabprüfung seitens des Verbrauchers über die Rechtmäßigkeit dieser Information erfolgt. Damit ist auch der Verweis auf eine eigene Kenntnis des Spielers eher ein Scheinargument.
Letztlich konnte bis jetzt kein Anbieter mit den genannten Verteidigungsstrategien einen wirklich nachhaltigen Erfolg verbuchen, sodass mit sinnvoller Vorbereitung auf ein Verfahren für den Verbraucher gute Chancen bestehen, erfolgreich auf die Verteidigungsversuche der Anbieter zu reagieren.
Was ist mit Verlusten, welche ich nach dem 01.07.2021 erzielt habe?
Theoretisch wäre eine Rückzahlung auch von Beträgen denkbar, welche nach dem 01.07.2021 eingezahlt wurden und als Spielverlust verloren gingen. Voraussetzung wäre zunächst, dass der jeweilige Anbieter auch weiterhin keine Lizenz hat. Allerdings könnte hier die Kenntnis des Spielers um die mögliche Unwirksamkeit des Vertrags entgegenstehen. Über die mediale Berichterstattung und veröffentlichte Urteile zum Thema könnte anzunehmen sein, dass die Problematik zumindest in den Grundzügen bekannt ist. Kennt der Spieler jedoch die mögliche Unwirksamkeit des Spielangebots und zahlt dennoch seinen Spieleinsatz, dann könnte es sich um eine Zahlung auf eine nicht bestehende Verpflichtung handeln, § 814 BGB. Diesen Punkt führen die Casinobetreiber bereits für Altfälle an. Für Sachverhalte ab dem 01.07.2021 könnten sie damit durchkommen. Das wäre dann stets auf den konkreten Einzelfall bezogen genau zu prüfen.
Gibt es sonstige Hürden oder Schwierigkeiten, die man beachten muss?
Zunächst ist wichtig zu wissen, dass im Grunde alle Anbieter von online-Casinos im Ausland sitzen. Damit stellt sich vorab stets die Frage: komme ich an die überhaupt ran? Kann ich Anbieter aus Malta, Zypern & Co überhaupt verklagen? Das ist natürlich möglich. Zum einen kann man die Anbieter natürlich im jeweiligen Land, von dem aus sie agieren, verklagen. Das jedoch ist eher kostenintensiv und umständlich, wenn man es von Deutschland aus macht. Daher besteht über europarechtliche Vorgaben die viel einfachere Option, am eigenen Wohnort zu klagen. Das ist für Verbraucher als Spieler – und das wird wohl der Großteil alle Spieler sein – durch die sogenannte EuGVVO, dort Art. 18 Abs. 1 EuGVVO möglich. Damit muss nicht ein Gericht auf Malta, Zypern oder sonst in der EU angerufen werden, es reicht, wenn die Klage vor einem deutschen Gericht erhoben wird.
Praktischerweise gilt dann auch das deutsche Recht, denn mit dem Anbieten des Spielangebots in Deutschland müssen sich die jeweiligen Anbiete auch an den hier geltenden Rechtssätzen messen lassen. Mit Blick darauf ist eine Klage in Deutschland für den Verbraucher, jedenfalls bezüglich der Verfahrensdurchführung selbst, ein Heimspiel.
Allerdings gilt das nur für Klagen gegen Anbieter, welche in der EU sitzen. Das ist bei Anbietern, welche beispielsweise in UK sitzen, seit dem Brexit nicht mehr der Fall. Die Übergangsvorschriften sind zum 31.12.2021 ausgelaufen, sodass für Klagen gegen Anbieter aus UK die Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht über den einfachen Weg der EuGVVO genommen werden kann. Allerdings schließt auch das nicht die Option der Klage vor einem deutschen Gericht aus. Dies insbesondere dann nicht, wenn das jeweilige Angebot ausdrücklich an deutsche Verbraucher gerichtet ist und bestimmungsgemäß in Deutschland abrufbar bzw. nutzbar war.
Wichtig aber ist grundsätzlich, dass es zur ganzen Problematik derzeit noch keine Entscheidung des BGH gibt. Derzeit steht die gesamte Argumentation lediglich vor der Prüfung durch die einzelnen Landgerichte. Auch Entscheidungen von Oberlandesgerichten sind derzeit nur wenige vorhanden, werden aber sicherlich in absehbarer Zeit häufiger auftreten. Zwar sind sich alle Gerichte in ihrer Linie relativ einig. Komplett ausgeschlossen ist es aber nicht, dass der BGH möglicherweise vielleicht doch eine abweichende Auffassung hat bzw. zumindest einzelne Punkte differenziert betrachtet. Derzeit deutet darauf aber aufgrund der Einheitlichkeit der vorliegenden Rechtsprechung nicht viel hin.
Kann ich das alles auch selbst machen und was ist zu beachten?
Dazu mal wieder ein klassisches anwaltliches „Jain“. Natürlich kann eine Rückforderung per se auch ohne Anwalt erst einmal geltend gemacht werden. Auch eine nachfolgende Klage wäre im Grunde ebenso ohne Anwalt denkbar, vorausgesetzt, sie übersteigt den Betrag von 5.000,00 € nicht. Bei Forderungen, welche über diesem Betrag liegen sind grundsätzlich die Landgerichte zuständig. Um vor einem Landgericht erfolgreich Klagen einzureichen und/ oder sonstige Erklärungen in anhängigen Prozessen abgeben zu können, ist ein Rechtsanwalt zwingend notwendig.
Wichtig aber ist es, vorab in jedem Fall einen Überblick über die vorgenommenen Einzahlungen zu haben. Ohne eine genaue Auflistung, einschließlich dahingehender Belege, was genau in welcher Höhe zurückgefordert werden soll, wird es schwer. Ob die jeweiligen Anbieter auf Nachfrage eine Auskunft über gezahlte Einsätze erteilen, sei dahingestellt. Zwar bestehen Auskunftsansprüche, wie etwas nach § 6d GlüStV. Allerdings ist beispielsweise dieser Anspruch nur für den Zeitraum der letzten 12 Monate relevant. Darüber hinaus könnte auch die DSGVO helfen, etwa über Art. 15 der DSGVO. Ob allerdings zügig eine Auskunft erteilt wird, sei dahingestellt.
Damit ist ein Abgleich mit eigenen Kontoauszügen, Kreditkartenabrechnungen, paypal & Co Übersichten essentiell und unbedingt vorzunehmen. Klar ist in jedem Fall: der Rückzahlungsanspruch muss vom jeweiligen Spieler in der geltend gemachten Höhe dargelegt werden, anderenfalls wird es schwer eine Rückforderung über ein Gericht durchzusetzen. Nehmen Sie sich also die notwendige Zeit für diese notwendige Vorarbeit, um nicht später vor einem Gericht möglicherweise lediglich wegen einer unklaren Beleglage hinten runterzufallen.
Was ist mit den Kosten?
Gerade bei hohen Beträgen, welche bei langen Spielzeiten, ggf. auch bei einer bestehenden Spielsucht, aufgelaufen sind, dürften Kosten entstehen, welche nicht ganz unerheblich sind. Bereits die Gerichtskosten, welche im Vorfeld zwingend zu zahlen sind, können schnell einen deutlichen vier-stelligen Betrag erreichen. Auch wenn am Ende eine Kostenerstattung durch den verklagten Anbieter erfolgt, gerade die Gerichtskosten sind stets in Vorleistung selbst zu zahlen.
Rechtsschutzversicherungen steigen meist frühzeitig aus, denn nicht alle Sachverhalte sind vom Versicherungsschutz umfasst. Dass muss vorher sorgsam geprüft werden. Unter Umständen kommt natürlich Prozesskostenhilfe in Betracht, soweit die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. Das ist sicherlich für die Spieler denkbar, welche durch die Spielsucht in erhebliche finanzielle Schieflage geraten sind. Daneben werden oftmals sogenannte Prozessfinanzierer angeführt, welche die Kosten übernehmen. Allerdings steigen diese meist erst ab einer gewissen Höhe der Rückforderung ein, zum anderen muss klar sein, dass im Falle des Erfolgs ein recht erheblicher Teil der erstrittenen Rückzahlung an den Prozessfinanzierer abgeführt werden muss. Dieses Model deckt damit zwar das Kostenrisiko sehr gut ab, schmälert aber einen möglichen „Gewinn“.
Der Weg hin zu einer Rückforderung von Spieleinsätzen kann anfangs teuer sein und wird auch sicherlich nicht binnen weniger Wochen erledigt werden. Aus Sicht des Spielers jedoch dürfte die Gewinnquote für einen vernünftig vorbereiteten Rückzahlungsprozess höher sein als die vorherige Gewinnquote für ein rein auf Glück basiertes casino-Spielchen.
Ausblick und Chancen
Die Rückforderung verlorener Spieleinsätze über deutsche Gerichte ist auch weiterhin ein erfolgversprechendes Mittel, um erlittene Verluste wenigstens zu minimieren. Die bisher vorliegende Rechtsprechung ist in den wesentlichen Punkten weitestgehend einheitlich. Damit deutet – Stand heute – nichts darauf hin, dass Gerichte höherer Instanz einen komplett anderen Weg einschlagen werden. Dies findet in den bisher vorliegenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte auch seine Bestätigung.
Natürlich darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass die Rechtslage in Deutschland bei den jeweiligen Anbietern ohne Reaktion bleiben wird. Der theoretische Rückzahlungsanspruch ausgezahlter Gewinne wurde oben ja bereits erwähnt. Auch haben einzelne Anbieter tatsächlich ihr Angebot vom deutschen Markt genommen. Erfolgt dann trotzdem eine Registrierung wäre fraglich, ob all das mit Blick auf das nicht mehr auf Deutschland ausgerichtete Angebot noch funktioniert. Ebenso besteht die Gefahr, dass einzelne Anbieter de facto in die Insolvenz gehen, wenn sie von Rückforderungen überhäuft werden. So befindet sich die Titanium Brace Marketing Ltd, vormaliger Betreiber von drückglück.com, wohl bereits in der Liquidation. Etwaige Gerichtsurteile wären dann ein Pyrrhussieg.
Dennoch sind momentan die Voraussetzungen weiterhin günstig, Verluste zu relativieren. Das Glück ist nicht immer auf Seiten des Spielers, aber oft auf Seiten des Tüchtigen….
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